Institut für Musikwissenschaft
print


Navigationspfad


Inhaltsbereich

Klaviersonate E-Dur op. 14/1 und Streichquartettfassung F-Dur

Kurzeinführung:

„die Art das Klavier zu spielen, ist noch die unkultivierteste von allen Instrumenten bisher, […] und ich freue mich lieber, dass sie von den wenigen sind, die einsehen und fühlen, dass man auf dem Klavier auch singe[n] könne.“
In einem Brief an den Klavierbauer Johann Andreas Streicher bringt Ludwig van Beethoven 1796 zum Ausdruck, wie sehr sich dessen Instrumente durch ihre Bauweise und ihre klanglichen Möglichkeiten dazu eignen, die Klangvorstellungen seiner Klavierkomposition zu verwirklichen. Möglicherweise war diese Klanglichkeit der neuartigen Instrumente aus der Klaviermanufaktur Streicher auch ein Anlass für ihn, 1798/1799 seine Klaviersonate Nr. 9 E-Dur op. 14/1 zu komponieren. Hinter kompositorischer Klarheit kreiert Beethoven ein farbenfrohes Spiel, das einer zwanglosen und geistreichen Unterhaltung gleicht. Die vielfachen Lagenwechsel und feinen dynamischen Differenzierungen lassen verschiedene, sich abwechselnde Stimmen entstehen: Kammermusik auf dem Klavier!
Rund drei Jahre nach der Veröffentlichung der Sonate Nr. 9 komponiert Beethoven eine Streichquartettfassung derselben, die sich genau diesen kammermusikalischen Charakters der Klaviersonate bedient.
Als wahrer Spezialist auf dem Gebiet der historischen Aufführungspraxis wird der Pianist Tobias Koch das Werk auf einem Flügel aus der Werkstatt Nanette Streicher & Sohn aus dem Jahr 1825 darbieten.

Paul Zimmermann*

Aus dem Programmheft:

Ludwig van Beethoven komponierte die Klaviersonate in E-Dur Op. 14/1 zwischen 1798 und 1799, bearbeitete sie aber bereits drei Jahre später zu einer Streichquartettfassung in F-Dur. Beide Versionen widmete Beethoven einer seiner Schülerinnen, Baronin Josefa von Braun.
In einem Brief vom 13. Juli 1802 an Breitkopf und Härtel schrieb Beethoven, offenkundig zufrieden mit seiner Bearbeitung: „Ich habe eine einzige Sonate von mir in ein Quartett von Geigen-Instrumenten verwandelt, warum man mich so sehr bat und ich weiß gewiß, das macht mir nicht so leicht ein anderer nach.“
Obwohl Beethoven mehrfach von Zeitgenossen gebeten worden war, seine Klaviersonaten umzuarbeiten und so auch einer anderen Instrumenten-Besetzung zugänglich zu machen, liegt tatsächlich nur diese eine Sonate in E-Dur in einer eigenen Bearbeitung für Streichquartett vor. Warum sich aber nur diese Sonate für eine Umarbeitung geeignet hatte, geht aus der Struktur der Musik selbst hervor. Die Sonate stellt ein lyrisch schlichtes Gegenstück zur kurz zuvor komponierten Grande Sonate Pathétique in c-Moll, Op. 13 dar. Anders als in der gewichtigen und auch pianistisch äußerst anspruchsvollen Pathétique, zeichnet sich die heute erklingende Sonate in E-Dur durch technisch eher moderate Anforderungen aus. Obwohl ein durchgehend waches und differenziertes Spiel erforderlich ist, um die Feinheiten und oft auch witzigen Details des Satzes hörbar zu machen, lebt der Charakter der Klaviersonate E-Dur nicht von hochvirtuosen pianistischen Passagen. Schnelle akkordische Abschnitte, Arpeggi, große Sprünge oder gar Oktavtremoli, wie sie Beethoven zu Beginn der Pathétique mehrfach und über längere Passagen in beiden Händen verlangte, wären auf einem anderen Instrument nur schwer umsetzbar gewesen. Ihr Fehlen wiederum begünstigt die Übertragung auf ein anderes Instrumentarium wie das der Streicher.
Vor allem aber der durchweg kammermusikalische Charakter der Klaviersonate in E-Dur scheint die Erarbeitung einer Streicher-Fassung möglich und für Beethoven vielleicht auch nahgelegt zu haben: Die Grundstimmung der Sonate ist von kantablen Melodien, nicht von harten Kontrasten in Tempo und Dynamik oder schroffen Stimmungswechseln geprägt. Eine über weite Strecken klare kontrapunktische Struktur lässt einen durchsichtigen Satz entstehen, der sich schon in den ersten Takten durch ein Miteinander von vier Stimmen in unterschiedlichen Lagen auszeichnet. Wie in einem Gespräch scheinen sich die einzelnen Stimmen zu verweben und miteinander zu dialogisieren. Es entsteht ein stellenweise geradezu humoristisches Miteinander, ein Frage-und-Antwort-Spiel, das sich gut auf die vier Streicherstimmen im Quartett übertragen lässt.
Beethovens Bearbeitung stellt demzufolge keine grundlegende Umarbeitung dar, sondern vor allem eine Anpassung an die neuen instrumentalen Gegebenheiten. Die Kammermusikfassung geht insgesamt ganz folgerichtig aus der Musik der Klaviersonate hervor, und so erstaunt es nicht, dass aus den Skizzen Beethovens zu Op 14/1 bis heute nicht gänzlich zweifelsfrei herausgelesen werden kann, ob sich die ersten kompositorischen Ideen auf eine Klaviersonate oder doch auf ein Streichquartett bezogen.

Nora Braatz*

 

* Die Texte entstanden im Rahmen der Übung Schreibwerkstatt unter der
Leitung von Dr. Stefanie Strigl am Institut für Musikwissenschaft.