Institut für Musikwissenschaft
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Laufende Dissertationen

Ferruccio Busonis Werke für Klavier und Orchester

Autor: Martin Blaumeiser, martin.blaumeiser@campus.lmu.de

Das 1904 entstandene Klavierkonzert Ferruccio Busonis (1866–1924) sprengte nicht nur mit seiner Spieldauer und aufwändigen Besetzung – zum großen Orchester kommt noch ein Chor von mindestens 48 Männerstimmen – alle Dimensionen vorheriger Gattungsbeiträge. Schon die rein pianistischen Anforderungen sind so hoch, dass das Konzert erst in den letzten drei Jahrzehnten regelmäßiger aufgeführt wird und nach wie vor nur von sehr wenigen Pianisten beherrschbar scheint. Abgesehen davon spiegelt das durchaus kontrovers diskutierte Klavierkonzert aber bereits viele Ideen und Konzepte, die Busoni erst später in seiner Schrift „Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst“ formuliert hat und die dezidiert von der Romantik wegführen. Neben diesem epochalen Werk gibt es von Busoni jedoch noch mindestens fünf weitere vollendete Stücke für Klavier und Orchester, die nicht nur im Konzertbetrieb so gut wie keine Rolle spielen, sondern überdies in der Literatur über Busoni eher stiefmütterlich behandelt wurden: darunter etwa die noch unaufgeführte Komposition Introduction et Scherzo (1882, rev. 1884) BV 210, die bislang kaum Beachtung fand. Die zu betrachtenden Stücke entstanden vom 12. Lebensjahr des Künstlers bis kurz vor seinem Tod, zeichnen somit die gesamte stilistische Entwicklung des Komponisten nach. Das Ziel der Arbeit soll allerdings nicht nur eine Gesamtdarstellung der untersuchten Werkgattung sein, sondern insbesondere einige Aspekte näher beleuchten, die jenseits von musikarchitektonischer Analyse bislang noch recht wenig erforscht wurden: vorrangig die Instrumentation, die – von unterschiedlichen Einflüssen geprägt und zunächst eher epigonal – erst spät zu einer recht individuellen und flexiblen Schreibweise führt. Ebenfalls soll geklärt werden, inwieweit sich Busonis Klaviersatz in diesen Werken etwa von denjenigen für Klavier solo unterscheidet.

Betreuung: Prof. Dr. Wolfgang Rathert

Edition des Briefwechsels zwischen Bernd Alois Zimmermann und dem Verlag B. Schott’s Söhne, Teil 1: 1946-1959, im Rahmen der Bernd Alois Zimmermann-Gesamtausgabe

Autor: Patrick Dziurla p.dziurla@lmu.de

Bereits während seiner Studienzeit bemühte sich Bernd Alois Zimmermann um die Aufnahme seiner Werke in einem geeigneten Verlag. Die Zusammenarbeit mit dem Verlag B. Schott’s Söhne kam, nachdem erste Werke im Eigenverlag und bei anderen Verlagen erschienen waren, 1949 zustande. Zimmermann und Schott (bzw. genauer: die Verlagsleitung und die Mitarbeiter- und -mitarbeiterinnen der einzelnen Abteilungen) korrespondierten regelmäßig über unterschiedliche Themen: von geplanten Aufführungen und potenziellen Aufführungsmöglichkeiten, über geeignete Libretti im Vorfeld der Komposition von Zimmermanns Oper Die Soldaten sowie über Fragen zu Materialherstellung, Vertrieb und Werbung bis hin zum Austausch über private Themen.
Allein für den Zeitraum von 1946 bis 1959 haben sich über 700 Briefe im Nachlass des Komponisten erhalten. Im Rahmen des Promotionsprojekts soll die Korrespondenz dieser Jahre in einer kommentierten Auswahledition vorgelegt werden. Ein wichtiger Leitfaden bei der Kommentierung der Briefe ist, dass sie beiden Korrespondenzpartnern gerecht werden soll. Der Fokus soll dabei nicht hauptsächlich auf dem Werk Zimmermanns liegen, sondern im gleichen Maße auf der Arbeit des Verlags. Des Weiteren soll die Kommentierung Informationen zu den in der Korrespondenz genannten Personen, Organisationen, Werken Dritter sowie Verweise auf noch erhaltene Quellen enthalten.
Neben den kommentierten Briefen und Registern wird die Arbeit außerdem Kapitel zu ausgewählten Aspekten der Korrespondenz zwischen Zimmermann und Schott enthalten.

Betreuung: Prof. Dr. Wolfgang Rathert

Die andere Weiterentwicklung der Dodekaphonie: Hans Werner Henzes Verwendung und Entwicklung der 12-Ton-Technik mit Seitenblicken auf Wolfgang Fortner und René Leibowitz


Autorin: Johanna Bulitta J.Bulitta@campus.lmu.de

Nach dem zweiten Weltkrieg suchte die junge Generation von Komponistinnen und Komponisten Wege und Möglichkeiten, Musik zu schreiben, die der neuen Freiheit entsprachen, aber dennoch Anknüpfungs- und Ausgangspunkte in früherer Musik hatten. Die wichtige Frage war, ob und wie man die Tendenzen der 1920er-Jahre, bevor die musikalische Entwicklung der staatlichen, repressiven Vereinnahmung und dem ästhetischen Revisionismus der NS-Zeit ausgesetzt war, aufgreifen und weiterführen sollte. Das erste sehr große deutsche Vorbild der Nachkriegsgeneration war Paul Hindemith. Er hatte mit seiner Unterweisung im Tonsatz eine fundierte Lehre vorgelegt, distanzierte sich mit seiner Emigration in die USA endgültig von NS-Deutschland, wandte sich seiner Heimat nun aber langsam wieder zu, um später in die Schweiz zurückzukehren, und stand somit in den Augen der jungen Generation auch gesellschaftlich-moralisch „auf der richtigen Seite“. Arnold Schönbergs „Methode, mit zwölf Tönen zu komponieren“ wurde hingegen erst ca. drei Jahre nach Kriegsende um 1948 peu à peu immer populärer und feierte ihre Höhepunkte Anfang der 1950er-Jahre mit den Kongressen für Zwölftonmusik in Mailand (1950) und Darmstadt (1952). Eigentlich war diese Idee eine der bedeutendsten Entwicklungen der Musik vor dem zweiten Weltkrieg gewesen. Doch sofort sahen sich die Komponisten, die die Zwölftonmethodik im Schönbergschen strengen wie zugleich viele Möglichkeiten bietenden Sinn verwendeten, Vorwürfen von zwei Seiten ausgesetzt: Die progressiv-technischen Serialisten – hier seien allen voran Pierre Boulez und Karlheinz Stockhausen genannt – warfen ihnen vor, nicht konsequent und umfassend genug die objektiv-logische Strukturierung auf alle musikalischen Parameter angewendet und Reste des „alten“ tonalen Denkens, beispielsweise in der Rhythmik, beibehalten zu haben. Die andere Seite der stärker in tonalen Traditionen verhafteten Komponisten und die Publikumskritik attestierten ihnen, zu rational zu sein und zu wenig auf Klang und Ausdruck Rücksicht zu nehmen. Innerhalb dieses interessanten Spannungsfeldes nimmt Hans Werner Henze eine besondere Position „zwischen den Stühlen“ ein, die er selbst als die dem Künstler angemessenste bezeichnete. Sein Lehrer Wolfgang Fortner charakterisierte die Dodekaphonie noch 1946 als „tot“, ging interessanterweise aber nicht viel später selbst zu ihr über. Henze legt ab 1947 allen seinen Stücken Zwölftonreihen zugrunde. Aber diese Reihe ist nicht das alleinige Basiselement, sondern vielmehr ein Ausgangspunkt für eine vielschichtige strukturelle Gestaltung. Die Dodekaphonie ist für ihn ein Mittel neben anderen, seinen Ideen musikalische Gestalt und Ausdruck zu verleihen.
Mein Dissertationsprojekt untersucht diesen undogmatischen, aber produktiven Umgang Henzes mit der Dodekaphonie als Mittel zur expressiven und nuancenreichen Darstellung musikalischer Inhalte und versucht, Entwicklungen und Veränderungen innerhalb Henzes Schaffen nachzuzeichnen. Doch auch der Kontext dieser persönlichen Entwicklung muss mit berücksichtigt werden. Wichtig ist hierbei eine vergleichende Betrachtung seiner Lehrer und Vorbilder, nämlich Wolfgang Fortner, René Leibowitz und Schönbergs früherer Berliner Assistent Josef Rufer. Die Veröffentlichungen zur Kompositionsmethode der Dodekaphonie von Rufer, Leibowitz sowie Hanns Jelinek und Herbert Eimert, die alle zu Beginn der 1950er-Jahre erschienen, sind die ersten systematischen 12-Ton-Lehrwerke. Sie sind ein Spiegel des stark gewordenen Interesses an der Dodekaphonie sowie gleichzeitig schon eine Verteidigung ihrer Variabilität und Anschlussfähigkeit gegen die mit „Schönberg ist tot“ zeitgleich auf einen Höhepunkt zusteuernde Kritik. Damit bilden sie wichtige Quellen, um ein möglichst umfassendes Bild der anderen Seite der Entwicklung der Dodekaphonie zu zeichnen.
Die Leitfragen der Arbeit sind ausgehend von den Vorwürfen an die Schönbergsche Dodekaphonie: Welchen Gestaltungsraum bietet sie für persönlichen Ausdruck und wie werden diese von Komponisten, die, wie Henze, danach suchen, genutzt? Wie kann ein Komponist produktiv mit der Kritik umgehen, sich nicht gänzlich von früheren Denkmodellen gelöst zu haben? Henze haben diese Fragen sehr beschäftigt. Daher eignen sich seine Werke gut für beispielhafte Analysen, die zusammen mit seinen Essays und seiner Korrespondenz mit Kollegen und vor allem Lehrern wichtige Quellen, um die „andere“ Entwicklung der Dodekaphonie, die nicht zum Serialismus, sondern zu einem neuen Ausdrucksverständnis führen soll, wissenschaftlich zu untersuchen und abzubilden.
Betreuung: Prof. Dr. Wolfgang Rathert

Die europäische Rezeption der amerikanischen Minimal Music

Autor: Christoph Schuller, christoph.schuller@campus.lmu.de

Die amerikanische Minimal Music mit ihren Hauptvertretern Philip Glass, Steve Reich, Terry Riley (und John Adams) hat sich im Konzertbetrieb der Gegenwart fest etabliert. Bei ihrem ersten Auftreten in Europa in den frühen 1970er Jahren rief sie jedoch ambivalente Reaktionen hervor: Einerseits griff man in der altbewährten Tradition des europäischen Antiamerikanismus auf abwertende Vorurteile über die US-Kultur zurück. Kritik an postmodernen Wandlungsprozessen der Konsumgesellschaft verband sich mit nationalen Stereotypen. Andererseits löste die Minimal Music überraschend positive Reaktionen aus, beeinflusste Diskurse der europäischen Neuen Musik nachhaltig, überbrückte den Graben zwischen U- und E-Musik und beförderte die Bildung einer eigenen, europäischen Minimal Music-Bewegung. Das Dissertationsprojekt möchte die Rezeption der amerikanischen Minimal Music in Europa detailliert analysieren. Es werden zahlreiche Reaktionen auf vordefinierten Ebenen – darunter „Labeling“, kompositorisch, theoretisch-diskursiv – dokumentiert, ausgewertet und innerhalb einer europäisch-amerikanischen Interkulturalität verortet. Die Entwicklung der europäischen Minimal Music wird erstmals als zusammenhängendes historisches Ereignis erforscht und als eigenständige Bewegung behauptet. Als Rezeptionsforschung zur Minimal Music leistet das Dissertationsprojekt einen bisher unberücksichtigten Beitrag zu den USA-Europa-Studien hinsichtlich der eng verwobenen Musikgeschichte beider Kontinente.
Betreuung: Prof. Dr. Wolfgang Rathert
Förderer: Studienstiftung des deutschen Volkes e.V. (https://www.studienstiftung.de/)

Echoes of Harmony. Musical worldview in a transcultural 11th century with a special regard to the music theory of Michael Psello

Autor: Michael Eberle, M.Eberle@campus.lmu.de

Das Musikdenken des Mittelalters ist durch die Vorstellung einer Analogie zwischen erklingender Musik und Sphärenharmonie geprägt – eine Grundannahme, die auf der Rezeption der antiken Philosophie beruht. Dieser Umstand ist heute gut erforscht. Weniger Beachtung haben die Fragen nach der Konsequenz und  transkulturellen Gültigkeit dieses Konzepts gefunden: Wie wurde erklingende Musik im griechischen, arabischen und lateinischen Musikdenken, allesamt Rezipienten des antiken Gedankenguts, in Relation zur religiös aufgeladenen Musik der Sphären wahrgenommen? Das Dissertationsprojekt untersucht diese zentralen Fragen anhand ausgewählter Musiktheorien des 11. Jahrhunderts. Als Ausgangspunkt dienen dabei die Schriften des
konstantinopolitanischen Philosophen Michael Psellos. Anhand der erstmaligen systematischen Analyse seiner im frühen byzantinischen Hochmittelalter nahezu alleinstehenden Aussagen versucht das Projekt die Rekonstruktion eines byzantinischen Musikdenkens vor den einschlägigen Traktaten. Im Anschluss soll es anhand einer an das Konzept der Transkulturalität angelehnten Methodik mit den musiktheoretischen Aussagen Ibn Sīnās (Avicennas) und Otlohs von St. Emmeram verglichen werden. Das Projekt zielt dabei auf eine Kontextualisierung der drei Systeme im Rahmen eines transkulturellen mittelalterlichen musikalischen Weltbildes und dessen Konsequenzen für die Praxis.

Betreuung: Prof. Dr. Irene Holzer und Prof. Dr. Emmanouil Giannopoulos

Förderer: Studienstiftung des deutschen Volkes e.V. (https://www.studienstiftung.de/)

 

Aufkommender Historismus in Violinschulen zwischen Aufklärung und Romantik

Autorin: Hedwig Oschwald, hedwig.oschwald@campus.lmu.de

In professionellen Lehrwerken für Violine des 18. Jh. (darunter L. Mozarts Violinschule) sind erste Modelle einer Musikgeschichtsschreibung zu beobachten, welche in Zusammenhang mit dem aufkommenden Historismus einen Beginn des Nachdenkens über die Aufführung der Musik vorangegangener Generationen markieren. Rund 80 Jahre später deuten Anmerkungen in P. Baillots L’Art du Violon darauf hin, dass sich ein spezifisches Bedürfnis nach wissenschaftlicher Aufarbeitung und eine Reflexion über die stilistisch angemessene Ausführung von Violinmusik entsprechend ihrer Entstehungszeit bis zu einem gewissen Grad etabliert hat. In der vorliegenden historiographischen Studie soll diese Denkfigur des aufkeimenden Historismus erstmals mit der gelehrten Musikpraxis in Verbindung gesetzt werden. Es soll herausgearbeitet werden, dass bereits in den Violinschulen der Aufklärung und der Romantik Denkformen des Historischen existieren. Dabei wird aufgezeigt, inwiefern diese von der jeweiligen Zeit- und Wissenschaftsgeschichte beeinflusst sind. Des Weiteren wird dargestellt, welche kontrastierenden oder sich wandelnden Positionen sich im damaligen Fachdiskurs identifizieren lassen. Aus dem Zeitraum von 1693 bis 1834 werden 36 Quellen – Traktate für Autodidakt*innen, gemischte Werke sowie professionelle Violinschulen – ausgewertet. Neben konkreten Musikbeispielen fließen weitere Archivmaterialien der Zeit wie z.B. Artikel oder Programmhefte mit ein.

Betreuung: Prof. Dr. Irene Holzer

Förderer: Promotionsförderung des Cusanuswerks (https://www.cusanuswerk.de/startseite)

Motettendruck bei Adam Berg (ca. 1566–1610) – abseits von Lasso

Autorin: Elisabeth Seidel, elisabeth.seidel@lrz.uni-muenchen.de

Die insgesamt ca. 113 Musikdrucke, die in der Offizin des ersten in München tätigen Musikdruckers Adam Berg zwischen 1566 und 1610 entstanden, sind bisher hauptsächlich im Rahmen von Editionsprojekten behandelt worden. Dies gilt vor allem für die Drucke mit Werken von Orlando di Lasso, die im Oeuvre des Münchener Hofdruckers den Großteil der veröffentlichten Bände ausmachen. In der Forschungsliteratur zu den gedruckten Komponisten spielen in der Regel vielmehr die enthaltenen Stücke als das Medium Druck an sich eine Rolle.
Das Dissertationsprojekt fasst den Bereich des Portfolios Adam Bergs ins Auge, dem bisher eher geringere Aufmerksamkeit zukam: Für die rund 15 Motettendrucke von Komponisten ‚abseits‘ von Orlando di Lasso (darunter beispielsweise Ivo de Vento, Georg Schwaiger, Jacob Reiner und Blasius Amon) werden Aspekte der Inhaltszusammenstellung und -strukturierung und der paratextuellen Elemente herausgearbeitet. Durch den Abgleich mit exemplarischen in München erschienenen Bänden des Druck-Strategen Orlando di Lasso soll so ein umfassendes Bild der Publikationsstrategien für Drucke aus der Offizin Adam Bergs, ihres Wandels und ihres Bezugs zu historischen Ereignissen und Persönlichkeiten gezeichnet werden.

Betreuer: Prof. Dr. Hartmut Schick und Prof. Dr. Irene Holzer

Förderer: IDK Philologie (https://www.idk-philologie.uni-muenchen.de/index.html) durch das Elitenetzwerk Bayern (https://www.elitenetzwerk.bayern.de/start).

 

Die polyphone Vertonung der Karwochen-Responsorien in Italien (ca. 1480–1620)

Autor: Tobias Bauer, bauert@saw-leipzig.de

Obwohl die Karwoche gemeinsam mit dem Osterfest seit dem frühen Mittelalter den theologischen Kulminationspunkt des Kirchenjahres bildete, etablierte sich erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts im Gebiet des heutigen Italien ein eigenständiges polyphones Repertoire für diesen Anlass: zunächst die Lamentationen, später auch die insgesamt 27 großen Responsorien (responsoria prolixa) für die Matutin der letzten drei Kartage. Wenngleich diese Responsorien in sämtlichen Auflagen des maßgeblichen deutschsprachigen Musiklexikons (Die Musik in Geschichte und Gegenwart) als„eine der wichtigsten Gattungen der katholischen Kirchenmusik“ apostrophiert werden, handelt es sich mit Ausnahme einiger berühmter Vertonungen (Gesualdo, Victoria, J.M. Haydn, Zelenka) weitgehend um wissenschaftliche terra incognita. Das Forschungsdesiderat betrifft neben einem grundlegenden Repertoireüberblick auch die Zugänglichkeit der Musik in kritischen Editionen sowie deren Analyse und zeit-, kultur- und kirchengeschichtliche Kontextualisierung. Das primär gattungsgeschichtlich verortete Dissertationsvorhaben adressiert sämtliche dieser Themenbereiche, wobei sich der Untersuchungszeitraum von den ersten Zeugnissen polyphoner Ausführung um 1480 über die auf das Konzil von Trient folgende Blütezeit bis hin zum Ende der A-cappella-Periode um 1620 erstreckt. Dadurch ermöglicht die Studie einen differenzierteren Blick auf die Kirchenmusik jener Zeit abseits der Leitgattungen Messe und Motette.

Betreuer: Prof. Dr. Hartmut Schick

Förderer: Cusanuswerk – Bischöfliche Studienförderung (https://www.cusanuswerk.de) Deutsches Historisches Institut Rom (http://dhi-roma.it)

 

Edition der beiden Konzerte für Klavier (linke Hand) und Orchester, „Parergon zur Symphonia Domestica“ op. 73 und „Panathenäenzug“ op. 74, im Rahmen der Kritischen Ausgabe der Werke von Richard Strauss

Autor: Quirin Vogel, quirin.vogel@lmu.de

Die beiden Konzerte für Klavier (linke Hand) und Orchester „Parergon zur Symphonia Domestica“ und „Panathenäenzug“ nehmen gewissermaßen eine Sonderstellung im Schaffen von Richard Strauss ein. In den 1920er Jahren als Auftragsarbeit für den kriegsverletzten linkshändigen Pianisten und Mäzen Paul Wittgenstein komponiert, entstanden die Konzerte als instrumentale ‚Nachzügler‘ in einer Zeit, in der sich Strauss nach eigener Aussage längst der Oper zugewandt hatte. Dass beide Werke im Schatten der Opern entstanden und sich (scheinbar) schwer in die ästhetischen Prämissen eingliedern, die sich Strauss selbst gegeben hatte, hat sich allem Anschein nach bis heute in der Rezeption der beiden Klavierkonzerte niedergeschlagen: Weder haben sie Eingang ins Konzertrepertoire gefunden, noch wurde ihnen musikwissenschaftlich eine größere Aufmerksamkeit zuteil.
Zudem gilt die allgemeine Problematik, dass viele Strauss’sche Kompositionen noch immer aus den häufig fehlerbehafteten Erstdrucken gespielt und anhand dieser erforscht werden, für die beiden Klavierkonzerte in verstärktem Maße: Posthum und damit ohne Mitwirkung des Komponisten gedruckt, sind die verfügbaren Notendrucke unpräzise, teils sogar eindeutig fehlerhaft.
Das vorliegende Editionsprojekt versucht deshalb zweierlei: Erstens sollen die genauen Hintergründe der Entstehung und Überlieferung rekonstruiert werden, um so erstmals eine fundierte Verortung der beiden Kompositionen im Schaffen des Komponisten zu ermöglichen. Zweitens soll als Hauptteil eine wissenschaftlich-kritische Ausgabe unter Berücksichtigung sämtlicher verfügbarer Quellen, insbesondere des jeweiligen Autographs, erarbeitet werden.

Betreuer: Prof. Dr. Hartmut Schick

Förderer: Bayerische Akademie der Wissenschaften (https://badw.de/die-akademie.html)

 

Ein musikalischer Spuk. Akustische Topoi der Grenzfiguren zwischen Dies- und Jenseits

Autorin: Tabea Umbreit, Tabea.Umbreit@lmu.de

Im Zeitalter der Aufklärung bemühte man sich um eine umfassende Rationalisierung der Lebenswirklichkeit. Die sogenannte „Entzauberung der Welt“ (Max Weber) ging durch die Verbannung des „Anderen der Vernunft“ (Böhme) von statten, zu dem insbesondere der Aberglaube und sein Personal zählte. Doch je mehr Gestalten wie Gespenster oder Untote aus dem Alltag verschwanden, desto mehr hielten sie Einzug in die Kunst. Ob ganz ernsthaft, parodistisch, oder als Täuschung eingesetzt, sie faszinieren uns offenkundig bis heute. Um ihr zentrales Charakteristikum, die Verortung zwischen unserer Welt und einem unbekannten Jenseits, darzustellen, entwickelte jede Kunstgattung ihre eigenen Strategien.
Ich gehe in meiner Arbeit der Frage nach, wie sie klingen: Wie vertonten Komponist*innen Gespenster und Untote, und warum? Welche Topoi zeichnen sich dabei zeit- und werkübergreifend ab? Ich analysiere zur Beantwortungen dieser Frage gattungsübergreifend Werke aus dem Zeitraum 1800 bis heute. Eingeschränkt wird mein Repertoire dadurch, dass es im Werk explizit um solche metaphysischen Grenzgänger gehen soll, die gezielt musikalisch charakterisiert werden.

Betreuer: Prof. Dr. Hartmut Schick

 

Werner Egks Verhältnis zum Nationalsozialismus

Autorin: Anna Kreszentia Schamberger M.A., a.schamberger@campus.lmu.de

Gegenstand der Dissertation ist die politische Haltung und die daraus resultierenden Aktivitäten des Komponisten und Kulturfunktionärs Werner Egk (1901–1983) vor, während und nach der NS-Zeit. Ausgangspunkt sind in vorausgegangener Forschungsarbeit augenfällig gewordene Diskrepanzen und ungeklärte Sachverhalte in Egks Biographie sowie das Interesse der Doktorandin an der Untersuchung musikalischer Werke Egks. Ziel ist daher zum einen die vertiefte Erforschung von Egks Umfeld in der Weimarer Republik, der Hintergründe seines Aufstiegs und Erfolgs im „Dritten Reich“ sowie der Bedingungen seiner Nachkriegskarriere. Zum anderen werden ästhetische Phänomene in musikalischen Werken Egks unter Berücksichtigung des kulturpolitischen Kontexts im Hinblick auf eine beabsichtigte Assoziativität mit der NS-Ideologie analysiert. Hierzu kommen u. a. Strategien der Biographieforschung und der systematischen Musikwissenschaft (Musiksoziologie) zur Anwendung. Als Quellen dienen der Nachlass Werner Egks, diverses Archivmaterial, Autographe, Notendrucke und Einspielungen seiner Werke, Schriften, Interviews und Pressematerial.

Betreuer: Prof. Dr. Hartmut Schick und Prof. Dr. Wolfgang Rathert

 

Franz Lehrndorfer sen. – Leben und Werk

Autor: Stefan Groß, st.gross@campus.lmu.de

Forschungsgegenstand ist der Komponist, Kirchenmusiker und Musikwissenschaftler
Dr. Franz Lehrndorfer sen. (1889–1954). Sein Nachlass befindet sich zum größten Teil in der Bayerischen Staatsbibliothek in München. Weitere Dokumente werden im Stadtarchiv Kempten und im Pfarrarchiv von St. Lorenz/Kempten, wo Lehrndorfer sen. die längste Zeit seines Berufslebens tätig war, aufbewahrt oder befinden sich in Privatbesitz. Das kompositorische Werk von Lehrndorfer sen. umfasst rund 150 Kompositionen: vor allem geistliche Vokalmusik (Messen, Requien, Kantaten, Gradualien, Pange-lingua-Vertonungen, Offertorien usw.), aber auch weltliche Kantaten, Chorwerke, Lieder für Singstimme und Klavier usw. sowie einige Instrumentalwerke.
Neben einer Biographie von Lehrndorfer sen. mit Fokus auf sein musikalisches Schaffen wird die Erstellung eines wissenschaftlichen Werkverzeichnisses im Mittelpunkt der Arbeit stehen. Schließlich soll untersucht werden, wie die von Lehrndorfer sen. komponierte Musik im Kontext des kirchenmusikalischen Schaffens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu verorten ist. Ziel der Dissertation ist die grundlegende wissenschaftliche Aufarbeitung des musikalischen Nachlasses dieses zeitlebens stark heimatverbundenen Musikers.

Betreuung: Prof. Dr. Irene Holzer