Institut für Musikwissenschaft
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Hat Franz Xaver Richter das Streichquartett erfunden?

Überlegungen zum 300. Geburtstag des Komponisten, samt einer Hypothese zu Boccherini

Autoren/Herausgeber: Hartmut Schick
Erschienen: 2009

Erschienen in: Archiv für Musikwissenschaft 66 (2009), S. 306-320.

Unklar ist bis heute, wie die 1768 im Druck erschienenen und bereits 1914 von Riemann edierten Streichquartette von Franz Xaver Richter zu datieren und in die Geschichte der Gattung einzuordnen sind. Der Beitrag versucht plausibel zu machen, dass die sechs Werke höchstwahrscheinlich schon um 1756 entstanden sind. Neben einem Bericht von Dittersdorf, den die Forschung kontrovers beurteilt, sprechen dafür stilistische Eigenheiten wie die auffallende Nähe zur Triosonate in den schnellen Sätzen. Andererseits weist der in allen Stimmen konzertante musikalische Satz auch frappierend „moderne“ Züge auf, die auf weit spätere Phasen der Gattungsentwicklung voraus weisen. Untersuchungen der musikalischen Textur wie auch der Nachweis eines Besuchs von Luigi Boccherini in Mannheim im Jahr 1761 führen zuletzt zu der These, dass Boccherinis erstes Quartett-Opus von 1761 vermutlich durch die Begegnung mit Richters Quartetten in Mannheim angeregt wurde. Damit müsste nun wohl Richter als der Erfinder des eigentlichen Streichquartetts − des Quartetts mit genuiner Violoncello-Stimme − gelten und zudem als ein Komponist, der die Gattungsentwicklung nachhaltig inspiriert hat.