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Beethoven über die Schulter geblickt (DAAD-Magazin vom 8. September 2008)

DAAD-Magazin.de vom 8. September 2008

Humor und Witz haben in den Kompositionen Ludwig van Beethovens einen festen Platz. Das demonstrierte der renommierte Beethoven-Experte Professor William Kinderman unterhaltsam bei einem Gesprächskonzert vor gut 60 Zuhörern im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses. Nach einer DAAD-Gastprofessur an der LMU München im Sommersemester 2008 war er nun für einige Tage als Dozent zum Beethovenfest nach Bonn eingeladen.

Gesprächskonzerte sind eine Spezialität des Amerikaners, der in Berkeley, Yale und an der Hochschule für Musik in Wien studiert hat. „Professor Kinderman ist Musikwissenschaftler und Konzertpianist. Diese Kombination ist eher selten und hat ihn für uns besonders interessant gemacht“, sagt Christiane Schmeken, Leiterin des DAAD-Referats Internationalisierung von Studium und Lehre. Sein guter didaktischer Stil sei auch in München sehr gelobt worden. „Außerdem ist er der ausgewiesene Beethoven-Forscher in den USA.“

Kindermans Forschungsschwerpunkte liegen in der Musik des 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert. Seine wichtigsten Publikationen beschäftigen sich mit dem Schaffen Ludwig van Beethovens. Dessen Klavier-Werke hat er auch auf CD eingespielt und dafür von der Kritik viel Beifall bekommen.

Verblüffung und Schmunzeln im Publikum
Unter dem Titel „Bits and Pieces. Unbekannte Klavierstücke von Beethoven“ kommentierte und spielte Kinderman Kompositionen und Skizzen aus Beethovens Aufzeichnungen. Damit das Publikum seinen Ausführungen auch folgen konnte, gab es statt Programmzetteln Kopien der Noten-Transkriptionen. Am Beispiel der verschiedenen Fassungen der Bagatelle in A-Dur, op.119, Nr. 10 legte Kinderman dar, wie intensiv Beethoven an seinen Werken gefeilt hat. Die alles andere als unbedeutenden Bagatellen Beethovens eigneten sich dank ihrer komprimierten Konzeption und Kürze sehr gut, um bei den Zuhörern Verblüffung und Schmunzeln hervorzurufen.

Das Gesprächskonzert machte deutlich, wie viele Erkenntnisse die Wissenschaftler immer wieder aus der Analyse von kompositorischen Handschriften ziehen, vor allem, wenn sie die Eigenarten des Verfassers und seine Lebensumstände kennen. Zu diesem Thema fand im Beethoven-Haus gerade ein mehrtägiges Beethoven-Studienkolleg statt. Kinderman war daran als Dozent beteiligt und gab eine Einführung in die Skizzentranskription: „Es war wunderbar, mit Studierenden aus verschiedenen Städten und Ländern zu arbeiten, die sich ernsthaft mit dem Schaffensprozess Beethovens beschäftigen. Drei von ihnen haben bei mir in München studiert.“

Vollbesetzte Vorlesungen
Im Sommersemester 2008 lehrte Kinderman am Institut für Musikwissenschaft der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Neben „Beethoven und seinem Schaffensprozess“ standen „Wagners Lohengrin und Parsifal“ sowie „Musik und Literatur bei Robert Schumann“ auf dem Stundenplan der Studenten. „Die Vorlesung zu Beethoven war immer total voll“, erinnert sich Kinderman. Auch das gleichnamige Hauptseminar habe großen Anklang gefunden. „Ich bin dem DAAD sehr dankbar für all seine Unterstützung bei Forschungsarbeiten und Reisen und besonders für diese Gast-Professur an der LMU München“, sagt Kinderman. Gerne würde er diese Dozentur fortsetzen.

Forschungsgegenstand: Beethovens Skizzenblätter
Zurzeit lehrt der Musikwissenschaftler wieder an seiner „Heimat-Universität“, der University of Illinois. Er schreibt an einem Buch über Wagners „Parsifal“ und wird bald wieder ein Konzert geben. Darüber hinaus bleiben Beethovens Skizzenblätter ein dankbares Forschungsobjekt: „Etwa 8000 Seiten sind aus Beethovens Nachlass erhalten“, erzählt er. Davon haben einige abenteuerliche Reisen nach Osteuropa, Paris oder auch Amerika zurückgelegt. „Vieles ist noch nicht gesichtet“, sagt Kinderman. Für den Beethoven-Forscher gibt es immer (noch) viel zu tun.

Claudia Wallendorf