Institut für Musikwissenschaft
print


Navigationspfad


Inhaltsbereich

Nach was suche ich? – Musikwissenschaftliche Fragestellungen

Hat man sich grundlegend innerhalb eines größeren Themenfeldes orientiert, gilt es, eine für den zur Verfügung stehenden Raum in der Arbeit tragfähige und angemessene Fragestellung zu finden. Das bedeutet nicht nur, dass ein Werk, eine zeitliche Periode oder ein räumlich abgegrenzter Bereich für die Betrachtung ausgewählt werden muss. Entscheidend sind vor allem die Leitfragen, unter denen das gewählte Material bzw. auch die recherchierte Literatur betrachtet werden kann. Nur wer Fragen stellt, kann auch zu Ergebnissen gelangen. Und je konkreter das Erkenntnisinteresse zu Beginn einer Arbeit formuliert wird, desto zielgerichteter und logischer lassen sich Quellen und Belegmaterial auswählen und Argumente formulieren.

Nehmen wir an, der Gegenstand Ihrer Arbeit ist der Kopfsatz aus Mozarts Klavierkonzert Nr. 9 Es-Dur KV 271. Für die Recherche ist es zunächst sinnvoll, sowohl Literatur zu sichten, die ‚Ihr‘ Werk behandelt, wie auch Titel, die das Werk des Komponisten allgemein untersuchen, sodass Sie am Schluss über solide Kenntnisse zum Gesamtwerk des Komponisten, über die Stellung ‚Ihres‘ Stücks in seinem Werk und die wichtigsten Informationen zum Werk selbst (Entstehungskontext, Uraufführung, Besetzung etc.) verfügen. Angesichts Ihrer spezifischen Fragestellung ist es aber genauso wichtig, sich Literatur zur Geschichte des Instrumentalkonzerts im Allgemeinen oder des Klavierkonzerts im Besonderen zu beschaffen. Insgesamt gilt: Es ist immer besser, ein Buch mehr und vielleicht umsonst – weil thematisch irrelevant – konsultiert zu haben, als eines zu wenig.

Nun aber ist Ihre Kreativität und Ausdauer gefragt: Je mehr Informationen Sie sich über die Forschungsliteratur, die Ihr Thema genau abdeckt, hinaus verschaffen, desto eher werden Sie neue Ideen entwickeln oder zu neuen Erkenntnissen gelangen (Motto: Think Outside the Box!!!). So könnte man sich mit anderen Komponisten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Hinblick auf das Klavierkonzert, aber auch mit dem Konzertrepertoire anderer Zeiten oder anderer Regionen beschäftigen, um Vorbilder, Parallelen oder auch Besonderheiten und Auffälligkeiten in der Komposition, der Musikauffassung oder der Ästhetik herauszuarbeiten. Denkbar wäre auch, sich auf die Aufführungspraxis und das Konzertwesen im 18. Jahrhundert zu konzentrieren, die Rahmenbedingungen, unter denen der Komponist arbeitete, miteinzubeziehen, oder sich die Voraussetzungen der historischen Instrumente anzusehen, für die Mozart komponierte.

In diesem Sinne sind viele Fragestellungen denkbar, die zum besseren Verständnis der Komposition, ihrer Entstehung, ihrem geistesgeschichtlichen, kulturellen oder historischen Umfeld beitragen, ohne dabei den Gegenstand, der in unserem Fall lautet: Musik, aus den Augen zu verlieren. Anregungen dafür, wie vielfältig die Fragen sein können, die Sie als Musikwissenschaftler stellen können, gibt etwa der Band Rethinking Music (2001).

 

nächste Seite: Wie und wo suche ich Literatur zu einem bestimmten Thema?